Reiseabenteuer

Melvilles Moby Dick gezeichnet von Christophe Chabouté

Für einmal taucht der Freitagsbloggers diese Woche in die Welt der Comics ein. Denn der Klassiker Moby Dick ist als Graphic Novel erschienen. Die Graphic Novel bezeichnet Comics im Buchformat und steht für komplex erzählte und grafisch umgesetzte Geschichten, die sich an ein erwachsenes Zielpublikum richten. Wer bisher von Herman Melvilles dickem Wälzer zurückgeschreckt ist, kann den Abenteuerroman jetzt als kurzweiliges Seeabenteuer erleben. 

In Moby Dick ist Kapitän Ahab auf der Jagd nach einem weissen Pottwal, der ihm einst ein Bein abgebissen hat. Herman Melvilles weltbekannte Geschichte ist diesen Herbst im Egmont Verlag als Graphic Novel erschienen. Als Comic adaptiert hat sie der französische Künstler Christophe Chabouté. In seinen Zeichnungen verzichtet Chabouté komplett auf Grautöne und arbeitet mit harten Konturen in schlichtem Schwarz und Weiss. Die Bilder vermitteln so eine düstere Atmosphäre und spiegeln die rachsüchtige Stimmung von Kapitän Ahab wieder. Eine besondere Stärke Chaboutés sind die Haltungen und Gesten seiner Figuren: Die Seemänner wirken wild, rau und jagdhungrig.

Melville macht in seiner Originalfassung teilweise lange Ausschweifungen, unter anderem darüber, wie unverzichtbar Wale und der aus ihnen gewonnene Tran damals für die Menschen waren. Auf solche Exkurse verzichtet Chabouté komplett und konzentriert sich schlichtweg auf den Hauptplot. Er gibt seinen Zeichnungen in grosszügigen Feldern, sogenannten Panels, Raum und lässt sie teilweise seitenlang für sich sprechen. Die einzelnen Kapitel leitet der Zeichner jeweils mit einem Text-Abschnitt aus dem Original ein, ansonsten kommt er lediglich mit Sprechblasen.

Der Roman Moby Dick ist erstmals 1851 veröffentlicht worden und hat sich wie kaum eine andere Geschichte ins Gedächtnis der Menschen eingebrannt. Vielleicht weil Melville aus Erfahrung spricht. Denn der amerikanische Schriftsteller musste einst selbst als einfacher Matrose auf einem Walfängerschiff anheuern, um seine Familie über Wasser zu halten, nachdem sein Vater bankrott ging und kurz darauf verstarb.

Moby Dick wurde aber seit der Urfassung vielleicht etwas zu oft und in allen Variationen neu aufgelegt – auch als Comic – um wirklich neue Spannungsfelder erzeugen zu können. Chabouté jedoch schafft es mit seinem Zeichnungsstil, seine Leser zu faszinieren und der Geschichte eine frische Meeresbrise einzuhauchen.

Der im Elsass geborene Christophe Chabouté hat in Strassburg Kunst studiert und arbeitet heute unter anderem als Comic-Zeichner und Illustrator für Kinderbücher. In Frankreich hat er sich mit seinen Comics einen Namen gemacht und konnte unter anderem beim Vents d’Ouest-Verlag  publizieren. Im Egmont Verlag ist von ihm bereits die Trilogie Fegefeuer (Originaltitel: Purgatoire) in einem einzigen Band gefasst erschienen, die das Leben nach dem Tod behandelt. Noch davor brachte der Carlsen Verlag Ganz Allein (Originaltitel: Tout seul) auf Deutsch heraus. Chabouté zeichnet dabei die Geschichte eines Mannes, der sein ganzes Leben in einem Leuchtturm verbringt und sich die Aussenwelt anhand eines Lexikons vorstellt. Beide Bücher sind im gleichen schwarz-weiss Stil gehalten, wie Moby Dick.

Der Kölner Egmont Verlag vereint sieben Labels unter einem Dach, darunter auch Egmont Graphic Novel , das 2013 lanciert wurde. Die Marke verlegt diverse Comic-Adaptionen aus der Welt der Literatur aber auch eine feine Auswahl an eigenständigen Comicgeschichten und gar -sachbüchern und gibt so Künstlern aus aller Welt die Möglichkeit, ihre Werke im deutschsprachigen Raum zu publizieren. Beim Egmont Verlag haben Comics ohnehin eine lange Tradition, so sind denn auch Asterix oder Lucky Luke dort erschienen.

Einmal mehr lernen wir bei Chabouté den jungen Ismael kennen, der mit dem tätowierten Queequeg im Schlepptau auf der Pequod anheuert, ohne je zuvor von Kapitän Ahab und seiner blutrünstige Mission gehört zu haben. Chaboutés Moby Dick durchzublättern ist wie Seeluft schnuppern und geht leider nach 252 Seiten viel zu schnell zu Ende.

Christophe Chabouté: Moby Dick, Graphic Novel. Aus dem Französischen von Ulrich Pröfrock. Erschienen bei Egmont Graphic Novel, Köln, 2015.
Originaltitel: Moby Dick – Livre Premier und Moby Dick – Livre Second von Christophe Chabouté beim Verlag Editions Glénat, 2014. 

Die Übersetzung der Text-Abschnitte wurde übernommen aus Herman Melvilles Moby Dick oder Der Wal, beim Carl Hanser Verlag, München 2001

Nächsten Freitag reisen wir mit Daniel Meister nach New York.

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