Sommerliches

The Beach oder der etwas andere Strandurlaub

Text und Bilder von Daniel Meister

Es gibt Bücher, die nie hätten verfilmt werden dürfen. „The Beach“ von Alex Garland ist so eines. Die meisten von uns kennen wahrscheinlich den gleichnamigen Film. Ein Abenteuerdrama über Aussteiger auf einer einsamen Thai-Insel: randvoll mit schönen Strand- und Landschaftsbildern und mit dem ebenfalls sehr schönen Leonardo Di Caprio in der Hauptrolle. Ein Kassenschlager. Das Buch hätte trotzdem nie verfilmt werden dürfen. Aus einer ganzen Reihe von Gründen.

Erstens hat der Film das Set, an dem er gedreht wurde, weltberühmt gemacht und damit einen ziemlich friedlichen Strand auf Kho Phi Phi zu einer der grössten Touristenattraktionen Thailands werden lassen. Seither stehen sich dort fette Amis, ihre erfolglos gelifteten Ehegattinnen und rotverbrannte Russen in Unterhosen auf den Füssen rum und schiessen mit ihren Spiegelreflexkameras um sich, als wären sie Dick Cheney auf Entenjagd. Frei nach dem Motto: Wow, hier wurde also der Film über die einsame Insel gedreht – stell dir vor, wie einsam es hier wäre, hätte es bloss diesen Film nicht gegeben und wären bloss nicht alle anderen hier, die ihn auch gesehen haben.

Zweitens gibt es im Film diesen Knick in der Handlung, dem niemand (zumindest niemand, den ich kenne), folgen kann: Der Protagonist Richard (Leonardo Di Caprio) wird von einer Minute auf die nächste verrückt, ohne dass es dafür einen triftigen Grund gäbe. Solche Situationen soll es im wahren Leben ja zur Genüge geben, siehe Weltlage, aber als Kind meiner eh schon komplizierten Zeit will ich wenigstens auf der Leinwand schlüssige Erklärungen für Anfälle von fortgeschrittenem Wahnsinn geliefert bekommen. In der Filmversion von „The Beach“ fehlen diese Erklärungen fast komplett.

Drittens gibt es meiner Meinung nach Bücher, die ganz einfach nicht auf DVD, BluRay oder ein Downloadportal gehören, sondern in einen Rucksack. Weil gute Storys Lust auf Reisen, nicht auf eine Tüte Chips und eine Fernbedienung  machen sollten und weil man beim Lesen die eigene Fantasie spielen lassen darf. Und im Fall von „The Beach“, weil man in der Buchversion tatsächlich nachvollziehen kann, warum der Protagonist den Verstand verliert.

Wenn also irgendein Buch ausschliesslich in einen Asien-Backpacker-Rucksack gehört, dann ist es nebst der neuesten Ausgabe von Lonely Planet Garlands Bestseller. Immerhin geht es darin um einen Asien-Backpacker. Um den Asien-Backpacker eigentlich, den bereits erwähnten Richard. Und der hält nicht eben viel von komfort-zonengerechten Fernwehfilmen, Hotelbunkern, Folkolore-Halligalli, Shuttlebussen für Unterhosenrussen und ähnlichen Errungenschaften des Fortschritts. Genau genommen will er möglichst weit weg von diesen Dingen.

Freitagsbloggers: Traumstrand 2
Richard hat sich das in den Kopf gesetzt, was sich wohl die allermeisten Backpacker erträumen: Er will „off the beaten track“ kommen, weg von den ausgelatschten Backpackerrouten. Richard will keine Ferien machen, auch nicht reisen. Er will entdecken. Der Erste sein. Die letzten noch verbleibenden weissen Flecken auf der Landkarte mit Farbe füllen. Ein ehrgeiziger Plan, aber das Buch spielt Mitte der 90er Jahre, als es solche Gebiete zumindest gerüchtehalber noch gab.

So ist Richard Feuer und Flamme, als ihm in einem schäbigen Hostel an der Khao San Road in Bangkok ein mysteriöser Zimmernachbar eine geheime Karte anvertraut. Sie soll zu einer Insel im Süden Thailands führen, die auf keiner offiziellen Karte verzeichnet ist. Was bei einer Anzahl von offiziell über 500 thailändischen Inseln immerhin denkbar ist. Auf dieser einen soll es jedenfalls einen herrlichen, von aussen nicht einsehbaren Strand geben und eine verschworene Gemeinschaft von Reisenden, die sich dort angesiedelt hat und das Geheimnis für sich bewahrt, um ihr Paradies vom Massentourismus zu verschonen.

Der geheimnisvolle Zimmernachbar, Daffy, nimmt Richard das Versprechen ab, die Karte auf keinen Fall weiter zu geben. Am nächsten Morgen stellt Richard fest, dass sich Daffy das Leben genommen hat, während er nebenan schlief. Vielleicht wegen des Schocks über Daffys Selbstmord, vielleicht aus Geltungsdrang, vielleicht weil er Angst hat, allein nach der Insel zu suchen: Richard erzählt jedenfalls einem französischen Pärchen von der geheimen Karte. Ausserdem weiht er zwei amerikanische Globetrotter in das Geheimnis ein.

Zusammen mit den Franzosen macht sich Richard schliesslich auf, den Strand zu finden, was ihnen dank der Karte nach einer abenteuerlichen Suche auch gelingt. Der Strand ist herrlich, besser als erträumt. Trotzdem ist nicht alles perfekt, denn die drei sind nicht die ersten Backpacker, die es bis hierhin geschafft haben. Schnell stellt sich heraus, dass auch im Paradies das Zusammenleben mit Anderen nicht immer reibungsfrei verläuft – im Gegenteil. Zudem gibt es gute Gründe, warum die Bewohner der Nachbarinseln die Existenz des Eilands tunlichst verschweigen. Und dann sind da noch die zwei amerikanischen Globetrotter, die eine Kopie der geheimen Karte haben und das Geheimnis gefährden.

Freitagsbloggers: Traumstrand 3

Da das Ende des Romans sich stark von dem des Films unterscheidet, ist „The Beach“ auch dann noch empfehlenswert, wenn man den Film schon gesehen hat. Allerdings ist das Finale der Buchversion richtig heftig und definitiv nichts für Zartbesaitete.
„The Beach“ ist nicht in einer besonders geschliffenen Sprache geschrieben, dafür aber voller klarer, glaubwürdiger Beschreibungen, denen man anmerkt, dass Alex Garland selbst lange als Backpacker unterwegs war. Tatsächlich beruht der Roman in Teilen angeblich auf wahren Ereignissen. Späteren Andeutungen Garlands zufolge soll es auch „The Beach“ wirklich geben, allerdings nicht in Thailand, sondern irgendwo im Süden der Philippinen. Der wahre Beach wurde also noch nicht vom Massentourismus überrannt und es gibt sie noch immer, die weissen Flecken auf der Landkarte. Ob man sie wirklich finden will, ist eine andere Frage.

Freitagsbloggers: Traumstrand 4
Englisch:
Alex Garland, Viking Press, 1996, ISBN: 0-670-87014-5

Deutsch
Alex Garland, Goldmann Verlag, 1998, ISBN 3-442-44235-4

 

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